Das Forschungskolleg Humanwissenschaften: Projekte
April 2009–April 2010
Kritische Analysen
Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit ist ein Schlüssel für globale Gerechtigkeit. Doch zielen die bisher unternommenen Anstrengungen auch tatsächlich in die richtige Richtung, oder sind selbst gut gemeinte Hilfsangebote in Wirklichkeit sogar kontraproduktiv? Um eine kritische Analyse ausgewählter Aspekte der internationalen Entwicklungszusammenarbeit geht es, wenn das Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität im Sommersemester 2009 in Bad Homburg seine Tätigkeit aufnimmt.
Internationalität
Die Reihe beginnt mit einem öffentlichen Vortrag von Professor Klaus Töpfer, ehemaliger UNO-Exekutivdirektor und Bundesminister. Es folgen öffentliche Vorträge der an renommierten US-amerikanischen Universitäten lehrenden Wissenschaftler Professor Thomas Pogge und Dr. David Ellerman. Die mehrtägigen Aufenthalte dieser beiden Wissenschaftler – auf dem Programm stehen auch öffentliche Seminare zur Vertiefung ihrer Thesen – werden von der Herbert Quandt-Stiftung und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft im Rahmen der »Schweickart- Fellowships« ermöglicht.
Gastdozentenprogramm
Das zu Ehren von Professor Nikolaus Schweickart ins Leben gerufene transatlantische Gastdozentenprogramm ist zunächst für die Dauer von zwei Jahren angelegt. Es ermöglicht den Aufenthalt von insgesamt vier Wissenschaftlern US-amerikanischer Universitäten am Forschungskolleg. Professor Schweickart hat sich sowohl in der Herbert Quandt-Stiftung als auch im Stifterverband an führender Stelle engagiert. Zudem ist er Honorarprofessor der Goethe-Universität.
Interdisziplinarität
Am Forschungskolleg Humanwissenschaften forschen Experten aus aller Welt gemeinsam mit Wissenschaftlern aus der Region fachübergreifend zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Themenstellungen und Projekte stehen in enger Verbindung mit Forschungsschwerpunkten der Universität. Die Öffentlichkeit wird im Rahmen von Vorträgen mit eingebunden, um das Kolleg als ein Forum des Dialogs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu etablieren.
Die einzelnen Veranstaltungen
Teil 1
Öffentlicher Vortrag Klaus Töpfer Nachhaltige Entwicklung Die Friedenspolitik der Gegenwart und der Zukunft Dienstag, 28. April 2009, 17.00 Uhr, Kolleggebäude Bad Homburg |
Prof. Klaus Töpfer wurde für sein umwelt- und entwicklungspolitisches Engagement vielfach ausgezeichnet. Er bekleidete höchste Ämter in der deutschen Politik und bei den Vereinten Nationen. Der promovierte Volkswirt, der nach wie vor auch wissenschaftlich tätig ist, betont immer wieder den zunehmend enger werdenden Zusammenhang zwischen Klimapolitik und Friedenspolitik.
Auch in seinem Vortrag am Forschungskolleg thematisiert Töpfer die Verbindung zwischen Umweltzerstörung und Bedrohung des Weltfriedens. Entwicklungsländer sind besonders empfindlich gegenüber der Klimaerwärmung, die sie nur zu einem kleinen Teil selbst verschuldet haben. Der Klimawandel führt zu sehr vielen zusätzlichen Wanderungsbewegungen. Menschen werden in ihrer Heimat immer weniger die notwendige Perspektive sehen, ihre Familien zu ernähren.
Klaus Töpfer, 1938 geboren, Studium u.a. an der Goethe-Universität Frankfurt, war Bundesumweltminister und Bundesverkehrsminister. Von 1998 bis 2006 leitete er das Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Seit 2005 ist er Honorarprofessor der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität in Tübingen und seit 2007 Professor für Umwelt und nachhaltige Entwicklung an der Tongji-Universität in Shanghai. Töpfer ist Mitglied im deutschen Rat für Nachhaltige Entwicklung und Gründungsdirektor des Instituts für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit (Institute for Advanced Sustainability Studies, IASS) in Potsdam.
Teil 2
Öffentlicher Vortrag und öffentliches Seminar Thomas Pogge Vermessung des Fortschritts Indizes für Armut, Entwicklung, Geschlechtergleichheit Vortrag: Montag, 11. Mai 2009, 18.30 Uhr Seminar: Dienstag, 12. Mai 2009, 10.00 Uhr |
Prof. Thomas Pogge gilt als einer der renommiertesten Gerechtigkeitsphilosophen. Einer seiner Schwerpunkte ist die globale Gerechtigkeit und damit auch das wachsende Wohlfahrtsgefälle. Das weltweite Durchschnittseinkommen ist zwar angestiegen, aber ebenso die Anzahl der Armen.
Pogge erörtert in Bad Homburg auch, wie Fortschritt definiert und bewertet wird. Wenn die Vorgaben und Instrumente nichts taugen, werden riesige Summen und Entwicklungsanstrengungen fehlgeleitet. Fragwürdige Definitionen können auch zu falschem Optimismus führen. So kritisiert Pogge, dass die Weltbank die Einkommensgrenze, bis zu der ein Mensch an extremer Armut leidet, zu niedrig ansetzt. Bei einer höheren Armutsgrenze würden die Statistiken mehr Arme ausweisen, und die Zwischenbilanz der Millenniumsziele der Vereinten Nationen zur Armutsbekämpfung sähe weniger positiv aus.
Thomas Pogge, geboren 1953, ist Professor für politische Philosophie und Ethik. Nach einem Soziologiestudium in Hamburg promovierte er 1983 bei John Rawls an der Harvard University mit einer Arbeit über globale Gerechtigkeit. Anschließend lehrte er u.a. an der Columbia University in New York. Im vergangenen Jahr nahm er einen Ruf für Philosophie und internationale Angelegenheiten an die Yale University an. Literatur: World Poverty and Human Rights: Cosmopolitan Responsibilities and Reforms, second, expanded edition (Cambridge: Polity Press 2008).
Teil 3
Öffentlicher Vortrag und öffentliches Seminar David Ellerman Towards a Theory of Unhelpful Help Why so much development assistance does not help people to help themselves Vortrag: Dienstag, 16. Juni 2009, 18.30 Uhr, Kolleggebäude Bad Homburg Seminar: Mittwoch, 17. Juni 2009, 10.00 Uhr, Kolleggebäude Bad Homburg |
Dr. David Ellerman – umfassend akademisch gebildet und mit einem Doktor in Mathematik – hat langjährige praktische Erfahrungen. Er gründete eine Beratungsfirma in Osteuropa und arbeitete für die Weltbank. Zu seinen Schwerpunkten gehört die Analyse verschiedener Methoden der Entwicklungszusammenarbeit.
Ellerman wird seinen Vortrag am Forschungskolleg in englischer Sprache halten. Im Mittelpunkt steht die Frage, warum so viele Entwicklungsprojekte nachweislich nicht hilfreich sind. Am Aufschwung in Ostasien haben Hilfsorganisationen kaum Anteil. Afrika, wo sie besonders präsent sind, ist von der weltweiten Entwicklung fast abgekoppelt. Viele Projekte scheitern an dem Anspruch, tatsächlich Hilfe zur Selbsthilfe zu sein. Sich selbst zu helfen, ist ein Ausdruck von Autonomie. Hilfe von außen kann zu Abhängigkeiten führen.
David Ellerman wurde 1943 geboren. Er ist Philosoph, Ökonom und Mathematiker. Von 1992 bis 2003 war er Berater der Chefökonomen der Weltbank – zunächst von Joseph Stiglitz, anschließend von Nicholas Stern. Derzeit arbeitet er als Gastwissenschaftler an der University of California in Riverside. Flankierend zum Vortragsthema siehe auch: Ellerman, David, Foreword by Albert O. Hirschman, Helping People Help Themselves: From the World Bank to an Alternative Philosophy of Development Assistance (Ann Arbor: University of Michigan Press 2005).
Teil 4
Abschlussveranstaltung Perspektiven globaler Entwicklung Mittwoch, 21. April 2010, 17:30 Uhr |
Vortrag
Shalini Randeria (Universität Zürich)
»How much land does a man need? Dispossession and neo-liberal globalization in India«
Podiumsdiskussion
Mamadou Diawara (Goethe-Universität), Shalini Randeria, Daniel Speich (ETH Zürich)
Offene Diskussion
Einführung und Moderation
Spiros Simitis (Forschungskolleg Humanwissenschaften)