Blick auf Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit
Vortragsreihe mit Christopher Clark und John C. G. Röhl im Bad Homburger Schloss
BAD HOMBURG. Mit Onkel Eduard besuchte er das Römerkastell, das er zuvor hatte aufbauen lassen. Die Bahnhofspläne hat er persönlich abgezeichnet, und vom damaligen Standort für das Krankenhaus musste erst seine Frau überzeugt werden. Selbst der Bad Homburger Hausberg für die sonntägliche Wanderung blieb nicht ohne imperialen Einfluss: Dass der Herzbergturm so aussieht, wie er aussieht, ist Wilhelm II. zu verdanken. Man könnte meinen, der letzte deutsche Kaiser sei eine Figur der Bad Homburger Lokalgeschichte. Diese Sichtweise ist ein wenig einschränkt - schließlich galt es für Wilhelm II. nebenbei noch das Deutsche Reich zu lenken und ein wenig Weltpolitik zu machen. Einen umfassenden historischen Anspruch erhebt dagegen eine Reihe von 14 Vorträgen im Landgräflichen Schloss, die sich von Mai bis November mit Kaiser Wilhelm II. und seiner Zeit befasst.
Großen Einfluss auf die Bewertung der Person des Kaisers hatte auch die dreibändige Biographie von John C. G. Röhl. Der emeritierte britische Professor spricht am 22. Juli über »Schloss Homburg und Schloss Friedrichshof in Kronberg als Brennpunkte der Weltpolitik 1906 bis 1908«. Für den Direktor der Schlösserverwaltung, Karl Weber, ist bei den Gedenkveranstaltungen zum Kriegsbeginn der deutsche Protagonist bisher zu kurz gekommen. "Die Vorträge werden allerdings kein einheitliches Bild abgeben", sagte er gestern. Es gehe in der Reihe auch um die Bedingungen jener Zeit. "Das wird keine zusätzliche Weltkriegsvorlesung", versprach Andreas Fahrmeir, Wissenschaftlicher Koordinator am Forschungskolleg. Er selbst redet am 4. November über die parlamentarische Monarchie und das politische System unter Wilhelm II..
Wolfgang König vom Institut für Technikgeschichte der Berliner Universität widmet sich der persönlichen Vorliebe des Kaisers für die Funktechnik, die Architektur zwischen Neobarock und Werkbund ist Thema des Berliner Kunsthistorikers Guido Hinterkeuser, und mit der damals wachsenden Bedeutung der Medien befasst sich Martin Kohlrausch von der Universität Löwen.
Wirtschaft und Literatur sind weitere Vortragsthemen. »Für die von Wilhelm bevorzugte Kunst war es schwer, einen Referenten zu finden«, sagte Friedel Brunckhorst von der Schlösserverwaltung. Anders als die modernen Strömungen jener Zeit sei die Kunstpolitik des Kaisers ein wissenschaftlich wenig beachtetes Thema. Mit dem Leiter des Kunstvereins Mannheim, Martin Stather, fand sich dennoch ein Fachmann. Die Historikerin Barbara Dölemeyer, die über »Wilhelminische Erinnerungsorte« in Bad Homburg spricht, und Alexander von Oettingen sind zwei örtliche Vertreter auf der Vortragsliste. Oettingen war Pfarrer der Erlöserkirche und damit einem steinernen Beispiel für die Religionspolitik Wilhelms.
Die für Besucher kostenfreien Vorträge mit anschließender Diskussion beginnen jeweils dienstags um 19 Uhr, entweder in der Schlosskirche oder im Weißen Saal. Ein Faltblatt soll bald im Schloss und in öffentlichen Einrichtungen ausliegen. Die Termine finden sich im Internet unter www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de und demnächst auch unter www.schloesser-hessen.de. (Bernhard Biener)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Rhein-Main-Zeitung, vom 4. April 2014, S. 43.
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