Fellows
rnVerletzlichkeit ist ein moralisches Problem für sich
rnChristine Straehle erforscht einen neuen Denkansatz für die Theorie globaler Gerechtigkeit
rnrnrnrnIn den Theorien internationaler Gerechtigkeit spielt Verletzlichkeit eine große Rolle. Verletzlich seien die, die sich nicht aus eigener Kraft gegen bestehende oder drohende Schäden wehren könnten. So eine weit verbreitete Definition, aus der bestimmte Anforderungen abgeleitet werden: mehr Rechte für das Individuum, bessere Verteilung der Ressourcen, weltweit wirksamer Umweltschutz. »All das sind wichtige Ziele«, sagt auch Christine Straehle, Professorin an der University of Ottawa. Gleichwohl plädiert die politische Philosophin dafür, sich das Konzept der Verletzlichkeit näher anzuschauen, um aus einer neuen Perspektive über globale Gerechtigkeit nachzudenken.rnrn
rnrn
Seit Anfang des Jahres widmet sich Christine Straehle am Forschungskolleg Humanwissenschaften den grundlegenden Kapiteln ihres Buchprojekts »Vulnerability and Global Justice«. Am Bad Homburger Kolleg arbeitet sie als Gastwissenschaftlerin der Forschergruppe »Justitia Amplificata«, die an der Goethe-Universität von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Die »Justitia«-Gruppe heißt mit deutschem Untertitel »Erweiterte Gerechtigkeit – konkret und global«. Bisher analysieren globale Gerechtigkeitstheorien Verletzlichkeit zusammen mit den Folgen, die aus ihr entstehen, und suchen nach geeignetem Schutz oder grundlegender Abhilfe. Christine Straehle dagegen stellt die Verletzlichkeit selbst ins Zentrum moralphilosophischer Überlegungen.rnrn
»Ich glaube, Verletzlichkeit ist aus moralischer Sicht auch dann ein Problem, wenn durch äußere Einflüsse noch gar kein Schaden entstanden ist«, sagt Christine Straehle, die in Marburg studiert hat, in Kanada promoviert wurde und seitdem dort lebt und lehrt. Verletzlich zu sein, beeinträchtige das Selbstgefühl eines Menschen und betreffe damit Aspekte, die für eine autonome Persönlichkeit wesentlich seien – von der Selbstachtung bis zum Selbstvertrauen. Auch deshalb sei Verletzlichkeit eine eigenständige moralische Kategorie, der auch unabhängig von möglichen Folgen Beachtung geschenkt werden müsse.rnrn
Bisher hat sich die Wissenschaftlerin vor allem mit Fragen der Gerechtigkeit im Zusammenhang mit internationaler Arbeitsmigration beschäftigt. Unter anderem dieses Feld will sie auch in ihrer neuen Studie thematisieren. Denn gerade hier zeigt sich die Relevanz ihrer These. Ein Beispiel: »Viele Arbeitsmigranten, die für eine gewisse Zeit in Kanada tätig sind, könnten sich auf bestehende Rechte berufen, die sie schützen sollen. Sie tun es aber häufig nicht, weil sie Angst haben, ihren Job zu verlieren«, so Christine Straehle. Dieses Szenario illustriere, wie Verletzlichkeit das Selbstgefühl betreffe und autonome Entscheidungen limitiere. Auch für konkrete Gegenmaßnahmen, die die Verletzlichkeit selbst betreffen, gibt es ein Beispiel aus dem Migrationsbereich: Mittlerweile ist in Kanada ein Arbeitsvisum nicht mehr an einen konkreten Arbeitgeber gebunden. Dadurch sinkt die Gefahr von Verletzlichkeit und die, ein Opfer von Willkür zu werden.rnrn
Christine Straehle hat ihr Forschungsprojekt mit ihren Fachkollegen der Frankfurter »Justitia«-Gruppe diskutiert und dabei, wie sie sagt, wichtige Hinweise erhalten. Die deutsche und Frankfurter Politische Theorie sei in Kanada noch nicht so breit rezipiert. Als wertvoll hat sie auch die nähere Auseinandersetzung mit den Thesen Philip Pettits empfunden. Der Politik-Professor aus Princeton war zu Gast an der Goethe-Universität im Rahmen der »Frankfurt Lectures« des Exzellenzclusters »Die Herausbildung normativer Ordnungen«. Auch Pettit geht nicht so sehr von den Rechten aus, die jemand hat oder haben sollte, sondern von der Machtverteilung zwischen den Menschen. Seinen »non-domination«-Ansatz sieht Christine Straehle als sehr fruchtbar für ihre eigene Theoriebildung: Wo genau liegen die Gemeinsamkeiten, wo gibt es Unterschiede?rnrn
Die Studien der Wahl-Kanadierin sollen zunächst in einer Artikelserie erscheinen, dann später, in überarbeiteter Form, als Buch publiziert werden. Und, wer weiß, vielleicht wird sie das Manuskript am Kolleg bearbeiten. »Ich würde sehr gerne wiederkommen«, sagt Christine Straehle, deren (erster) Forschungsaufenthalt bis Ende März geht.
(FKH - 14.03.2012)
Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Datenschutzerklärung und mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Mehr...
Einverstanden
Cookies sind kleine Textdateien unserer Webseite, die auf Ihrem Computer vom Browser gespeichert werden wenn sich dieser mit dem Internet verbindet. Cookies können verwendet werden, um Daten zu sammeln und zu speichern um Ihnen die Verwendung der Webseite angenehmer zu gestalten. Sie können von dieser oder anderen Seiten stammen.
Es gibt verschiedene Typen von Cookies:
- Technische Cookies erleichtern die Steuerung und die Verwendung verschiedener Optionen und Dienste der Webseite. Sie identifizieren die Sitzung, steuern Zugriffe auf bestimmte Bereiche, ermöglichen Sortierungen, halten Formulardaten wie Registrierung vor und erleichtern andere Funktionalitäten (Videos, Soziale Netzwerke etc.).
- Cookies zur Anpassung ermöglichen dem Benutzer, Einstellungen vorzunehmen (Sprache, Browser, Konfiguration, etc..).
- Analytische Cookies erlauben die anonyme Analyse des Surfverhaltens und messen Aktivitäten. Sie ermöglichen die Entwicklung von Navigationsprofilen um die Webseite zu optimieren.
Mit der Benutzung dieser Webseite haben wir Sie über Cookies informiert und um Ihr Einverständnis gebeten (Artikel 22, Gesetz 34/2002 der Information Society Services). Diese dienen dazu, den Service, den wir zur Verfügung stellen, zu verbessern. Wir verwenden Google Analytics, um anonyme statistische Informationen zu erfassen wie z.B. die Anzahl der Besucher. Cookies von Google Analytics unterliegen der Steuerung und den Datenschutz-Bestimmungen von Google Analytics. Auf Wunsch können Sie Cookies von Google Analytics deaktivieren.
Sie können Cookies auch generell abschalten, folgen Sie dazu den Informationen Ihres Browserherstellers.