Fellows
rnWie Europa aus der Geschichte lernte
rnPeter Verovšek untersucht die Rolle der Erinnerung nach den Weltkriegen
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»Die Erinnerung an Totalitarismus und die Gräuel zweier Weltkriege waren Ansporn und Basis für die beginnende europäische Integration.« Diese These steht im Mittelpunkt des Promotionsprojekts von Peter Verovšek, der noch bis Ende Februar als Junior Fellow am Forschungskolleg Humanwissenschaften in Bad Homburg arbeitet. Gerade diese Kriegs-Erinnerungen, so Verovšek weiter, veranlassten führende europäische Nachkriegspolitiker wie Jean Monnet, Robert Schuman und Konrad Adenauer dazu, vom Konzept einer nationalstaatlichen Souveränität abzurücken und die europäische Einigung voranzutreiben.
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Für den jungen Wissenschaftler liegt in der Vergangenheit eine Ressource des politischen Wandels. »The Past as a Resource for Political Change« lautet auch der bisherige Titel seiner Dissertation, die er an der Yale University schreibt. Dort ist der gebürtige Slowene Doktorand von Seyla Benhabib, einer weltweit führenden politischen Philosophin, die ebenfalls schon Fellow am Forschungskolleg war. Der Aufenthalt Peter Verovšeks wird von der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung gefördert. Nach Bad Homburg kam er auf Einladung von Rainer Forst, Frankfurter Professor für Politische Theorie und Co-Sprecher des Exzellenzclusters »Die Herausbildung normativer Ordnungen« an der Goethe-Universität.
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Bei einem Kolleg-Kolloquium unter der Leitung Forsts und mit weiteren Fellows erläuterte Verovšek nun seine Thesen, wobei er auch auf die aktuelle Situation des europäischen Integrationsprozesses einging. Die gegenwärtige Krise resultiere zu einem großen Teil aus dem »middle child syndrome« amtierender Staats- und Regierungschefs. Merkel, Sarkozy und andere seien Angehörige einer mittleren Generation, die im Gegensatz zur Pionier-Generation der Nachkriegspolitiker keine tragfähige Vision mehr hätten, um sich selbst und die Bürger für das europäische Projekt zu begeistern. Stattdessen würden sie vor allem national motivierten Interessen nachgehen und eine kurzatmige, auf den nächsten Wahlerfolg abzielende Politik betreiben. Europas »middle children«, so Verovšek, müssten endlich ihre Engstirnigkeit überwinden und kooperieren, damit das Erbe der Pioniere auch an die jüngste Generation weitergegeben werden kann.
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In seiner Dissertation will Peter Verovšek zeigen, dass Erinnerungen an eine negative Vergangenheit nicht nur Hass und Stillstand hervorbringen müssen; sie können auch der Motor für weitreichende politische Veränderungen sein. Nach den Erfahrungen des zweiten Weltkriegs hätte man ebenso eine Abgrenzung der Staaten voneinander erwarten können. Stattdessen half die noch unmittelbar gegenwärtige Erinnerung den politischen Führern, die schrittweise Aufgabe staatlicher Souveränität zu rechtfertigen, um damit neuerliche Kriege in Europa undenkbar und unmöglich zu machen. Die Arbeit Verovšeks enthält neben theoretischen Überlegungen historische Fallbeispiele, die konkret zeigen sollen, wie die Erinnerung maßgebliche Politiker in ihrem Denken und Handeln beeinflusst hat.
(FKH - 09.02.2012)
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